BACH Die Cellosuiten  –  Der Lebenszyklus

Die Interpretation ist atemberaubend. Scheinbar Bekanntes klingt ganz neu…

P. Jarolin, Kurier – über die Bachsuiten (2018)

Bachsuiten, im Hintergrund 2 ältere Personen am Boden sitzend

Booklettext der CD Gesamteinspielung

Warum eine Neueinspielung der Cellosuiten von Bach, wo es doch schon zahlreiche Aufnahmen gibt, romantische, tänzerische, analytische, ungestüme…?

Ich habe mich auf die Suche nach einer Interpretation begeben, bei der jeder Gedanke – quasi von einem unsichtbaren Faden geleitet – von Ton zu Ton erlebbar wird und bei der so kein Ton zu viel ist.

Diesen scheinbar romantischen Ansatz rechtfertige ich mit meiner Sicht auf den Menschen Johann Sebastian Bach:

Einerseits erlangte Bach, durch seine außergewöhnliche Begabung und seinen enormen Eifer von Kindheit an, eine beispiellose Gelehrtheit, die weit über das rein Musikalische hinausgeht. Seine Werke sind von philosophischen und mathematischen Ebenen durchzogen und vermitteln so den Anspruch einer absoluten Gültigkeit.

Vor allem aber sehe ich in ihm einen zutiefst menschlichen Künstler mit Zweifeln, Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten und einer außerordentlichen Freude am Genuss. Diese elementaren Gefühle haben sich in den letzten 400 Jahren nicht geändert, und ihnen in der Musik nachzuspüren ist mir daher besonders wichtig.

Sehr wohl geändert haben sich aber Form und Ausdrucksmittel. Deshalb bestimmt die Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis meinen Weg, einen unverschleierten Ausdruck zu ermöglichen: So gibt es fast kein Vibrato zu hören, es sei denn als bewusste Färbung oder Ornament. Besonders starken Ausdruck erreiche ich durch Timing, vergleichbar mit den spieltechnischen Möglichkeiten am Cembalo. Die überlieferten Tanzschritte leiten mich zwar oft zu den Schwerpunkten, rücken aber nicht stereotyp in den Vordergrund; zum einen wurden diese Suiten ja nicht getanzt, zum anderen stilisiert Bach manche Satzangaben auffällig stark. Als Maß für das Grundtempo ist für mich daher die Dramaturgie der Harmonieabfolge wichtiger als das Tempo einer Satzbezeichnung.

„Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Johann Sebastian Bach“. Dieses Zitat von Mauricio Kagel zeigt sehr deutlich, wie tief verwurzelt der persönliche Zugang eines Jeden zu Bachs Musik ist. Für Interessierte möchte ich im Folgenden dennoch auf einige Ideen näher eingehen, die mir beim Verstehen und Interpretieren der Musik von Johann Sebastian Bach wichtig sind:

Ich kenne keinen Komponisten, der eine solche Vielzahl von sich zum Teil widersprechenden Aspekten fordert. Dieser Fülle begegne ich in der Praxis mit dem Versuch, täglich einen neuen, anderen Zugang zu finden und mir das dazugehörige Gefühl einzuprägen. Im Konzert versuche ich dann gleichsam „nachtwandlerisch“ allen Aspekten gemeinsam gerecht zu werden, mein Gehirn wechselt nur noch kurzfristig eingreifend die Perspektive. Ich fühle mich agil und doch in besonderer Weise in mir ruhend und aufgehoben in der Welt.

Was sind nun für mich zentrale Aspekte in der Annäherung an diese Werke?

° Tonhöhe: In Bachs Musik sehe ich drei Ebenen, die über selbige bestimmt sind. Der tiefste Ton einer Phrase steht für die Erde, die Naturgewalt, der höchste für das Göttliche, das Absolute – und dazwischen bewegt sich der fragende Mensch. Es gibt daher zahlreiche persönliche Töne in einer absolut gültigen Umgebung. Zwischen den drei Ebenen entstehen nun verschiedene Beziehungen, wobei das Verhältnis der Extremwerte (die Naturgewalt und das Göttliche) die Dramaturgie erzeugt. Bemerkenswerter Weise stehen die göttliche und die menschliche Ebene stets in enger Beziehung zueinander.

° Tonart: Jeder Tonart entspricht eine bestimmte Charakteristik, deren Ursprung oftmals im Stimmungssystem der Tasteninstrumente und in instrumentenspezifischen oder spieltechnischen Notwendigkeiten zu finden ist. Für mich als Interpret ist wesentlich, dass alle bedeutenden Komponisten der Vergangenheit diese Verknüpfung bewusst genutzt und damit vorangetrieben haben; wann immer sie einen bestimmten Charakter wollten, haben sie die entsprechende Tonart gewählt. Als Zuhörer haben wir diesen Zusammenhang durch jahrelange Hörerfahrung emotional in uns aufgenommen. Den Erfahrungsschatz des Publikums versuche ich nun als „Spielwiese“ für ein musikalisches Empfinden zu nutzen und passe meine Ausdrucksmittel wie Timing oder Artikulation an den Charakter der jeweiligen Tonart an. Dadurch kann beim Zuhörer im Zusammenspiel von klanglicher Wahrnehmung und eigener Erfahrung ein Gefühl von Authentizität entstehen. Die Abfolge der Charaktere im Stück kreiert für mich eine Handlung, etwa einem Drehbuch vergleichbar. Dabei werfen entfernte Harmonien quasi Fragen auf.

° Tempo: Wie schon erwähnt, ergibt sich das Tempo eines Stückes für mich aus der Harmonieabfolge und der dahinterstehenden Dramaturgie.

°Harmonische Funktion des Tones: Jeder Ton hat einen funktionellen Charakter, sozusagen eine Eigenschaft, ein Wesen, innerhalb der aktuellen Harmonie. Der Grundton gibt mir beispielsweise das Gefühl, zu Hause zu sein, der Quintton ist eine offene Frage und hat etwas Archaisches, die Terz ist sehr persönlich, in ihr finde ich mich selbst. Harmoniefremde Töne sind das Salz, sie machen alles erst richtig interessant. Durch seine ihm eigene Funktion steckt in jedem einzelnen Ton auch das ganze Werk.

° Körpergefühl: Der Zuhörer soll einen bleibenden Eindruck mitnehmen können, und ich denke, dass dabei eine körperliche Erfahrung im Zentrum steht, bei der die ständige Anpassung der Zwerchfellspannung des Zuhörers an die jeweilige Tonhöhe ganz wesentlich ist. Um dieses physische Mitleben zu ermöglichen, braucht jedes Intervall seine persönliche Zeit, als Maßstab dafür dient mir das erforderliche Timing meiner eigenen Zwerchfellstütze. Dadurch klingen nicht nur die Präludien wie improvisiert, auch in den Tanzsätzen ziehe ich das für die körperliche Nachvollziehbarkeit nötige Rubato einem stereotypen Tanzrhythmus vor. Außerdem versuche ich, den Charakter jeder Kleinphrase durch ein ganz bestimmtes Körpergefühl zu vermitteln. Im Zuhörer entsteht dadurch eine sinnliche, körperliche Empfindung, die er über das Erinnern an das Musikstück später wieder abrufen kann.

Das eigentliche Ziel ist aber natürlich, den Zuhörer mit dem Schönsten zu beschenken, was ein Musiker geben kann: Zeit. Der Interpret kann die Zeit langsamer vergehen lassen, sie anhalten, ja sogar das Gefühl, dass sie rückwärts läuft, kann durch Querverweise aufkommen. Deshalb versuche ich in meinem Spiel stets mehr Fragen zu stellen als Antworten zu liefern.

Christoph Stradner

Jede der sechs Solosuiten erinnert an einen Abschnitt unseres Lebens. Leichtfüßig beginnend mit Natur und Kindheit (G-Dur) führt uns die Reise durch den Zwiespalt der Pubertät (d-Moll) hin zur ungestümen Jugend (C-Dur). Der 2. Teil dieses Zyklus setzt mit dem Erwachsenenalter (Es-Dur) fort und findet nach der Auseinandersetzung mit dem Tod (c-Moll) zu einer überirdischen Ewigkeit (D-Dur).

Bachsuiten Logo transparent

DER KOMPLETTE ZYKLUS

Johann Sebastian Bach  Die Cellosuiten

1. Teil
Kindheit  Suite Nr.1 in G-Dur BWV 1007
Pupertät  Suite Nr.2 in d-Moll BWV 1008
Jugend  Suite Nr.3 in C-Dur BWV 1009

2. Teil
Erwachsen  Suite Nr.4 in Es-Dur BWV 1010
Tod  Suite Nr.5 in c-Moll BWV 1011
Ewigkeit  Suite Nr.6 in D-Dur BWV 1012

Gesamtdauer in einer Veranstaltung ca. 2h 45min oder geteilt als Nachmittags- und Abendveranstaltung zu je 1h 30min

 

BACH UND MEHR

Leben, Tod und Ewigkeit

Christoph Stradner, Violoncello
Fridolin Meinl,  Rezitation und Moderation

Johann Sebastian Bach wählt in seinen Suiten Nr. 1, 5 und 6 für Violoncello solo ganz bewusst die Tonarten G-Dur, c-moll und D-Dur, die häufig die Themen Leben, Tod und Ewigkeit musikalisch durchdringen. Zu Christoph Stradners Vortrag der berühmten Meisterwerke von Bach liest Fridolin Meinl aus Texten, die von diesen drei menschlichen Kernthemen erzählen.“

Details zum Konzept
Link zu Fridolin Meinl

 

BACH ZEITLOS

Johann Sebastian Bach  Die Cellosuiten
Mieczyslav Weinberg aus den 24 Preludien für Violoncello solo

Genau genommen beginnt eine Suite nach dem Preludium. In diesem Programm ersetze ich die Preludien der sechs Bachsuiten durch Preludien von Weinberg in den jeweiligen Tonarten und schlage so eine zeitliche Brücke.

Gesamtdauer ca. 2h 30min (inkl. 25 Min. Pause)

Bachsuiten Logo transparent

DER LEBENSZYKLUS

Jede der sechs Solosuiten erinnert an einen Abschnitt unseres Lebens. Leichtfüßig beginnend mit Natur und Kindheit (G-Dur) führt uns die Reise durch den Zwiespalt der Pubertät (d-Moll) hin zur ungestümen Jugend (C-Dur). Der 2. Teil dieses Zyklus setzt mit dem Erwachsenenalter (Es-Dur) fort und findet nach der Auseinandersetzung mit dem Tod (c-Moll) zu einer überirdischen Ewigkeit (D-Dur).

Die Interpretation ist atemberaubend. Scheinbar Bekanntes klingt ganz neu…

Bachsuiten, P. Jarolin, Kurier

DER KOMPLETTE ZYKLUS

Johann Sebastian Bach  Die Cellosuiten

1. Teil
Kindheit  Suite Nr.1 in G-Dur BWV 1007
Pupertät  Suite Nr.2 in d-Moll BWV 1008
Jugend  Suite Nr.3 in C-Dur BWV 1009

2. Teil
Erwachsen  Suite Nr.4 in Es-Dur BWV 1010
Tod  Suite Nr.5 in c-Moll BWV 1011
Ewigkeit  Suite Nr.6 in D-Dur BWV 1012

Gesamtdauer in einer Veranstaltung ca. 2h 45min oder geteilt als Nachmittags- und Abendveranstaltung zu je 1h 30min

 

BACH UND MEHR

Leben, Tod und Ewigkeit

Christoph Stradner, Violoncello
Fridolin Meinl,  Rezitation und Moderation

Johann Sebastian Bach wählt in seinen Suiten Nr. 1, 5 und 6 für Violoncello solo ganz bewusst die Tonarten G-Dur, c-moll und D-Dur, die häufig die Themen Leben, Tod und Ewigkeit musikalisch durchdringen. Zu Christoph Stradners Vortrag der berühmten Meisterwerke von Bach liest Fridolin Meinl aus Texten, die von diesen drei menschlichen Kernthemen erzählen.“

Details zum Konzept
Link zu Fridolin Meinl

 

BACH ZEITLOS

Johann Sebastian Bach  Die Cellosuiten
Mieczyslav Weinberg aus den 24 Preludien für Violoncello solo

Genau genommen beginnt eine Suite nach dem Preludium. In diesem Programm ersetze ich die Preludien der sechs Bachsuiten durch Preludien von Weinberg in den jeweiligen Tonarten und schlage so eine zeitliche Brücke.

Gesamtdauer ca. 2h 30min (inkl. 25 Min. Pause)

Booklettext der CD Gesamteinspielung

Warum eine Neueinspielung der Cellosuiten von Bach, wo es doch schon zahlreiche Aufnahmen gibt, romantische, tänzerische, analytische, ungestüme…?

Ich habe mich auf die Suche nach einer Interpretation begeben, bei der jeder Gedanke – quasi von einem unsichtbaren Faden geleitet – von Ton zu Ton erlebbar wird und bei der so kein Ton zu viel ist.

Diesen scheinbar romantischen Ansatz rechtfertige ich mit meiner Sicht auf den Menschen Johann Sebastian Bach:

Einerseits erlangte Bach, durch seine außergewöhnliche Begabung und seinen enormen Eifer von Kindheit an, eine beispiellose Gelehrtheit, die weit über das rein Musikalische hinausgeht. Seine Werke sind von philosophischen und mathematischen Ebenen durchzogen und vermitteln so den Anspruch einer absoluten Gültigkeit.

Vor allem aber sehe ich in ihm einen zutiefst menschlichen Künstler mit Zweifeln, Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten und einer außerordentlichen Freude am Genuss. Diese elementaren Gefühle haben sich in den letzten 400 Jahren nicht geändert, und ihnen in der Musik nachzuspüren ist mir daher besonders wichtig.

Sehr wohl geändert haben sich aber Form und Ausdrucksmittel. Deshalb bestimmt die Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis meinen Weg, einen unverschleierten Ausdruck zu ermöglichen: So gibt es fast kein Vibrato zu hören, es sei denn als bewusste Färbung oder Ornament. Besonders starken Ausdruck erreiche ich durch Timing, vergleichbar mit den spieltechnischen Möglichkeiten am Cembalo. Die überlieferten Tanzschritte leiten mich zwar oft zu den Schwerpunkten, rücken aber nicht stereotyp in den Vordergrund; zum einen wurden diese Suiten ja nicht getanzt, zum anderen stilisiert Bach manche Satzangaben auffällig stark. Als Maß für das Grundtempo ist für mich daher die Dramaturgie der Harmonieabfolge wichtiger als das Tempo einer Satzbezeichnung.

„Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Johann Sebastian Bach“. Dieses Zitat von Mauricio Kagel zeigt sehr deutlich, wie tief verwurzelt der persönliche Zugang eines Jeden zu Bachs Musik ist. Für Interessierte möchte ich im Folgenden dennoch auf einige Ideen näher eingehen, die mir beim Verstehen und Interpretieren der Musik von Johann Sebastian Bach wichtig sind:

Ich kenne keinen Komponisten, der eine solche Vielzahl von sich zum Teil widersprechenden Aspekten fordert. Dieser Fülle begegne ich in der Praxis mit dem Versuch, täglich einen neuen, anderen Zugang zu finden und mir das dazugehörige Gefühl einzuprägen. Im Konzert versuche ich dann gleichsam „nachtwandlerisch“ allen Aspekten gemeinsam gerecht zu werden, mein Gehirn wechselt nur noch kurzfristig eingreifend die Perspektive. Ich fühle mich agil und doch in besonderer Weise in mir ruhend und aufgehoben in der Welt.

Was sind nun für mich zentrale Aspekte in der Annäherung an diese Werke?

° Tonhöhe: In Bachs Musik sehe ich drei Ebenen, die über selbige bestimmt sind. Der tiefste Ton einer Phrase steht für die Erde, die Naturgewalt, der höchste für das Göttliche, das Absolute – und dazwischen bewegt sich der fragende Mensch. Es gibt daher zahlreiche persönliche Töne in einer absolut gültigen Umgebung. Zwischen den drei Ebenen entstehen nun verschiedene Beziehungen, wobei das Verhältnis der Extremwerte (die Naturgewalt und das Göttliche) die Dramaturgie erzeugt. Bemerkenswerter Weise stehen die göttliche und die menschliche Ebene stets in enger Beziehung zueinander.

° Tonart: Jeder Tonart entspricht eine bestimmte Charakteristik, deren Ursprung oftmals im Stimmungssystem der Tasteninstrumente und in instrumentenspezifischen oder spieltechnischen Notwendigkeiten zu finden ist. Für mich als Interpret ist wesentlich, dass alle bedeutenden Komponisten der Vergangenheit diese Verknüpfung bewusst genutzt und damit vorangetrieben haben; wann immer sie einen bestimmten Charakter wollten, haben sie die entsprechende Tonart gewählt. Als Zuhörer haben wir diesen Zusammenhang durch jahrelange Hörerfahrung emotional in uns aufgenommen. Den Erfahrungsschatz des Publikums versuche ich nun als „Spielwiese“ für ein musikalisches Empfinden zu nutzen und passe meine Ausdrucksmittel wie Timing oder Artikulation an den Charakter der jeweiligen Tonart an. Dadurch kann beim Zuhörer im Zusammenspiel von klanglicher Wahrnehmung und eigener Erfahrung ein Gefühl von Authentizität entstehen. Die Abfolge der Charaktere im Stück kreiert für mich eine Handlung, etwa einem Drehbuch vergleichbar. Dabei werfen entfernte Harmonien quasi Fragen auf.

° Tempo: Wie schon erwähnt, ergibt sich das Tempo eines Stückes für mich aus der Harmonieabfolge und der dahinterstehenden Dramaturgie.

°Harmonische Funktion des Tones: Jeder Ton hat einen funktionellen Charakter, sozusagen eine Eigenschaft, ein Wesen, innerhalb der aktuellen Harmonie. Der Grundton gibt mir beispielsweise das Gefühl, zu Hause zu sein, der Quintton ist eine offene Frage und hat etwas Archaisches, die Terz ist sehr persönlich, in ihr finde ich mich selbst. Harmoniefremde Töne sind das Salz, sie machen alles erst richtig interessant. Durch seine ihm eigene Funktion steckt in jedem einzelnen Ton auch das ganze Werk.

° Körpergefühl: Der Zuhörer soll einen bleibenden Eindruck mitnehmen können, und ich denke, dass dabei eine körperliche Erfahrung im Zentrum steht, bei der die ständige Anpassung der Zwerchfellspannung des Zuhörers an die jeweilige Tonhöhe ganz wesentlich ist. Um dieses physische Mitleben zu ermöglichen, braucht jedes Intervall seine persönliche Zeit, als Maßstab dafür dient mir das erforderliche Timing meiner eigenen Zwerchfellstütze. Dadurch klingen nicht nur die Präludien wie improvisiert, auch in den Tanzsätzen ziehe ich das für die körperliche Nachvollziehbarkeit nötige Rubato einem stereotypen Tanzrhythmus vor. Außerdem versuche ich, den Charakter jeder Kleinphrase durch ein ganz bestimmtes Körpergefühl zu vermitteln. Im Zuhörer entsteht dadurch eine sinnliche, körperliche Empfindung, die er über das Erinnern an das Musikstück später wieder abrufen kann.

Das eigentliche Ziel ist aber natürlich, den Zuhörer mit dem Schönsten zu beschenken, was ein Musiker geben kann: Zeit. Der Interpret kann die Zeit langsamer vergehen lassen, sie anhalten, ja sogar das Gefühl, dass sie rückwärts läuft, kann durch Querverweise aufkommen. Deshalb versuche ich in meinem Spiel stets mehr Fragen zu stellen als Antworten zu liefern.

Christoph Stradner